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Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.                Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht mißbrauchen.                Du sollst den Feiertag heiligen.                Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren.                Du sollst nicht töten.                Du sollst nicht ehebrechen.                Du sollst nicht stehlen.                Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.                Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus.                Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib, Knecht, Magd, Vieh noch alles, was dein Nächster hat.               
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"Mein Herr und mein Gott" (Joh 20, 28)
   

Autor: Mirosław Rucki,
Liebt einander! 3/2011 → Die Wissenschaft und der Glaube



Das Dogma über die Heiligste Dreifaltigkeit entzieht sich rationalen Erklärungen und ruft daher bei jedem denkenden Menschen einen ganz natürlichen Widerstand hervor. Wer hat sich dieses Dogma ausgedacht und wozu? Wäre es nicht leichter, einfach an einen einzigen Gott zu glauben, ohne darauf einzugehen, dass dieser aus drei Personen besteht? Doch, natürlich wäre das leichter, es würde aber Gott nicht gerecht werden, der uns die Wahrheit über sich selbst offenbart hat.

Bei den Juden kursiert die Redensweise, dass bei jedem Juden Sünde, Unglaube oder sogar ein Abfall vom Glauben vorkommen könne, dass ein Jude jedoch psychisch schwer krank sein müsse, um einen anderen Juden als Gott anzuerkennen. Diese Überzeugung hängt unmittelbar mit der Geschichte der biblischen Offenbarung zusammen, in deren Verlauf das jüdische Volk schwer geprüft wurde, um die Wahrheit über Gott und die Wahrheit über den Menschen unterscheiden zu lernen. Jeder Jude weiß genau, wer Gott ist und wer der Mensch ist. Und jeder weiß auch genau, dass weder Gott Mensch sein kann, noch der Mensch Gott sein kann.

Vor diesem Hintergrund muss man sich folgende Fragen stellen: Hielt Jesus sich selbst für Gott? Hielten die Apostel (durch und durch Juden!) Jesus für Gott? Wann und durch wen begann man in der Kirchengeschichte überhaupt, Jesus als Gott zu betrachten?

Die Überzeugung von der Gottheit Jesu zu Beginn des 2. Jahrhunderts

Kaum jemand wird es wagen, den allgemeinen Glauben an die Gottheit Jesu, der zu Beginn des 2. Jh. in der Kirche herrschte, infrage zu stellen. Dafür gibt es viele Beweise, und zwar „harte“, unanfechtbare Beweise. Ich möchte hier nur die vier überzeugendsten von ihnen anführen.

Der erste ist allgemein als Rylands-Papyrus bekannt und als P52 gekennzeichnet. Dieser winzig kleine Papyrusschnipsel ist beidseitig mit griechischen Buchstaben beschrieben, und diese Buchstaben passen ganz genau auf die Verse aus dem Johannes-Evangelium 18, 31-33. 37-38. Diese Verse beschreiben den Strafprozess Jesu, der ohne Bezug auf Seine Göttlichkeit keinen Sinn ergeben würde: „Die Juden entgegneten ihm: Wir haben ein Gesetz, und nach diesem Gesetz muss er sterben, weil er sich als Sohn Gottes ausgegeben hat“ (Johannes 19, 7). Da man weiß, dass der Rylands-Papyrus etwa um das Jahr 120 niedergeschrieben wurde, muss man auch davon ausgehen, dass das Johannes-Evangelium mit all seinen Äußerungen über die Gottheit Jesu in der Kirche der zwanziger Jahre des 2. Jahrhunderts bekannt war und gelesen wurde.

Ein zweiter, nicht minder wichtiger Papyrus ist der Papyrus P90, der aus einem anderen Kodex mit dem Johannes-Evangelium stammt, welcher Anfang des 2. Jahrhunderts verfasst wurde. Zwar wird der P90 allgemein auf den Beginn des 3. Jahrhunderts datiert, aber im Lichte jüngster Untersuchungen und unter Berücksichtigung neuer Entdeckungen meint Prof. Thiede, ein renommierter deutscher Papyrologe, dass dieser Text deutlich früher verfasst worden sein muss. Dieses Papyrusstückchen enthält Textfragmente, die auf das Johannes-Evangelium 18, 36-19, 7 passen und damit bestätigen, dass im Evangeliumstext schon zu dieser Zeit der oben erwähnte Satz (19, 7) enthalten war und nicht erst später hinzugefügt wurde.

Ein dritter Beweis sind die Briefe von Plinius dem Jüngeren. Er war kaiserlicher Beamter und Statthalter der Provinz Bithynia et Pontus und verfasste in den Jahren 110 bis 112 n. Chr. 247 Briefe. Diese Briefe sind der Wissenschaft gut bekannt, sie sind nummeriert und umfassend untersucht worden. Im Brief Nr. 96 schrieb Plinius: „Der Fehler und die Schuld der Christen lagen darin, dass sie sich zu einem bestimmten Tag vor dem Tempel zu versammeln und dort ein Lobgebet auf Christus als Gott zu sprechen pflegten.“

Natürlich war Plinius kein Christ. Er war Rationalist, so wie jeder Römer, daher empfand er das Bekenntnis der Kirche, Jesus sei Gott, als blanken Unsinn. In seinem Brief bezeugte er jedoch, dass die Christen in den Jahren von 110 bis 112 Jesus allgemein als Gott verehrten.

Einen vierten Beweis vom Anfang des 2. Jahrhunderts stellen die Briefe des hl. Ignatius, des Bischofs von Antiochien, dar. Ignatius war seit ca. 69 n. Chr. Bischof von Antiochien; er musste einen Großteil der Apostel persönlich gekannt haben. Die Tradition lehrt, er sei einer der Schüler des hl. Apostels Johannes gewesen. Als er etwa im Jahre 107 zur Hinrichtung nach Rom gebracht wurde, bat Ignatius die römischen Machthaber um die Erlaubnis, sich an den Orten, durch die er gefahren wurde, mit den Christen treffen zu dürfen. Die Römer erlaubten ihm dies, und so fand dieser außergewöhnliche Mensch im Angesicht des sicheren Todes Worte des Trostes für seine Mitbrüder, mit denen er sie zum Glauben an Jesus ermutigte. Unterwegs schrieb Ignatius sieben Briefe, die alle mit den Worten begannen: „Ignatius genannt Theophor“, das heißt: „der, der Gott bringt“, also Ihn und Seine Lehre verkündet. In diesen Briefen bekannte er auch seinen Glauben an die Gottheit und an die Menschheit Christi, sowie an die allgemeine Mission der Kirche, die er erstmalig als „katholisch“ bezeichnete.

Ignatius von Antiochien war kein Jude, daher sind manche Forscher versucht, ihn dafür verantwortlich zu machen, dass Jesus eine wesensmäßige Göttlichkeit „zugeschrieben“ wurde. Doch muss jeder redliche Forscher die Tatsache berücksichtigen, dass Ignatius als dritter Bischof von Antiochien (nach dem hl. Petrus und nach Euodius) sowie als Schüler des hl. Johannes sich nicht einfach so frei heraus irgendein Dogma ausdenken konnte. Insbesondere, wenn man bedenkt, dass Ignatius den Gläubigen die Gottheit Jesu noch im Angesicht des Todes verkündete, in einem Augenblick, da der Mensch alle seine bisherigen Ansichten überprüfen muss und nur davon spricht, was er als unumstößliche Tatsache anerkennt.

Nomina sacra – die Abkürzung des Namens Gottes

Ein wichtiger Beweis dafür, dass Jesus noch zu Lebzeiten Seiner ersten Schüler, also der Apostel, mit Gott gleichgesetzt wurde, ist die in den Papyri praktizierte Abkürzung des Namens Gottes, die wissenschaftlich als nomina sacra – als „heilige Namen“ – bezeichnet wird.

Die Einführung spezieller Zeichen, die symbolisch den Namen Gottes in der Schrift darstellen, ist für den Judaismus und für die jüdische Mentalität sehr charakteristisch. Man weiß, dass die Juden schon seit dem 3. Jh. v. Chr. das Aussprechen des Namens Gottes ausschließlich auf das Tempelgelände beschränkten, und zur Zeit Jesu wurde er nur vom Hohenpriester und nur einmal im Jahr, am Versöhnungstag (hebr. Jom Kippur), ausgesprochen. Daher mussten die Juden, wenn sie ihre täglichen Ausschnitte aus der Hl. Schrift lasen oder ihre Gebete sprachen, jedes Mal den Namen Gottes durch einen anderen Ausdruck ersetzen, z.B. HaSchem („der Name“) oder Adonaj („der Herr“). Um das zufällige Aussprechen des Namens zu vermeiden, wurde in den Schriften das Tetragramm jud-he-waw-he, das den Namen Gottes darstellte, deutlich herausgehoben. So wurde beispielsweise ein anderes Alphabet verwendet, wie z.B. in den Dokumenten, die auf den Illustrationen abgebildet sind. Sowohl im hebräischen Text, der in Quadratschrift verfasst ist, als auch im griechischen Text wird das Tetragramm jud-he-waw-he mit dem althebräischen Alphabet geschrieben, das schon in der Zeit vor dem babylonischen Exil verwendet wurde. Jeder, der diesen Text laut vorlas, ersetzte automatisch den Namen Gottes durch die Ausdrücke Haszem oder Adonaj.

Dank einer solchen Schreibweise war insbesondere in den griechischen Handschriften von vorneherein klar, welchen „Herrn“ das jeweilige Wort kyrios oder adonaj meinte: einen Menschen oder Gott. Genau die gleiche Funktion erfüllen die nomina sacra in den griechischen christlichen Handschriften. Der Ausdruck kyrios konnte, wenn er ganz ausgeschrieben wurde, “irgendeinen Herrn“ meinen,
mit der Abkürzung KS geschrieben jedoch konnte er sich nur auf Gott und auf Jesus beziehen. Ebenso konnte der Ausdruck theos irgendeinen Gott bedeuten (wie z.B. in Apg 14, 11 oder in Kor 8, 5), die Schreibweise ThS aber bezog sich einzig und allein auf Gott.

Allein die Einführung solcher nomina-sacra-Abkürzungen ist durch und durch jüdisch und rührt von der im 1. Jh. herrschenden Überzeugung her, den Namen Gottes in den Schriften hervorheben zu müssen. Wenn also die nomina sacra zu Lebzeiten der Apostel eingeführt wurden, so bedeutet dies, dass sie Jesus als Gott anerkannt haben mussten, denn die Abkürzungen KS und ThS beziehen sich in den Handschriften auch auf Jesus.

Die Forschung verfügt über eine bedeutende Anzahl an Papyri, die man durch den Vergleich der Schreibweise der Buchstaben recht genau datieren kann. So schrieb beispielsweise am  24. Juli 66 der ägyptische Bauer Harmijsis in griechischer Sprache ein Gesuch über den Kauf von sieben Schafen. Dieses Ereignis hatte im Jahre 66 keinerlei historische Bedeutung, doch für uns ist es von unschätzbarem Wert. Und zwar, weil auf dem Dokument ein Datum angegeben ist und die Unterschriften von drei Staatsbeamten darauf stehen. Dieser Papyrus hat bis in unsere Zeit in der Erde gelegen und wurde während der Ausgrabungen in Oxyrhynchos gefunden, zusammen mit Hunderten anderer Papyri.

Die Schriftart des Gesuchs von Harmijsis (das natürlich von einem ausgebildeten Schreiber verfasst wurde) ist genau die gleiche wie in den Papyri P64/67, was bedeutet, dass sie zur gleichen Zeit von Schreibern verfasst wurden, die die gleichen kaligraphischen Regeln anwendeten. Dies erlaubt eine Datierung der Papyri P64/67 auf das Ende der sechziger Jahre des 1. Jh. Darüber hinaus erinnern einige Ostrakone (beschriebene tönerne Scherben) aus Masada an die Schrift der Papyri P64/67 (insbesondere Nr. 784). Es ist allgemein bekannt, dass Masada seit dem Jahr 73 nicht mehr bewohnt war.

Kommen wir nun zu der wichtigsten Schlussfolgerung aus den Kenntnissen über die Papyri und die nomina sacra. Und zwar finden sich auf dem Papyrus P64, von dem wir wissen, dass er in den sechziger Jahren des 1. Jh. verfasst wurde, also zu Lebzeiten fast aller Apostel, folgende nomina sacra: KE statt kyrie in Mt 26, 22 sowie IS statt iesous in Mt 26, 31. Es ist dies der früheste Fall der Anwendung von Abkürzungen „heiliger Namen“; der Papyrus 7Q4, der noch vor den sechziger Jahren entstand, enthält den Ausdruck theos als Ganzen. Demnach wurden die nomina sacra Mitte der sechziger Jahre, zu Lebzeiten der Mehrheit der Apostel, in die christlichen Texte eingeführt und waren ein Ausdruck des Glaubens an die Gottheit Jesu. Von diesem Moment an kann man in den Papyri zum Beispiel im Vers 1, 1 des Johannes-Evangeliums die Abkürzung ThS in Bezug auf Jesus finden (Papyrus P66, mögliche Datierung auf ca. 125 n. Chr.) oder die entsprechenden Abkürzungen der unterstrichenen Wörter im Text des Briefs an die Philipper 2, 6 (Papyrus P46, mögliche Datierung auf ca. 85 n. Chr.): „Seid untereinander so gesinnt, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht: Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein“.

In den Kopien des Neuen Testaments wurden mittels der Schriftzeichen die Bezugnahmen auf Jesus als Gott herausgehoben, und dies zu Lebzeiten der Apostel, unter denen auch Autoren von Evangelien und Briefen waren. In der jüdischen Mentalität war das gleichbedeutend mit einem Glaubensbekenntnis an Jesus als Gott.

Hielt Jesus sich selbst für Gott?

Betrachtet man die beträchtliche Anzahl der Papyri aus dem 2. Jh. sowie einige kleinere, aber genau auf das Neue Testament passende Texte aus dem 1. Jh., ist anzunehmen, dass die Evangelien und die Apostolischen Briefe, die zu Lebzeiten der Apostel und anderer Augenzeugen innerhalb der Kirche immer wieder abgeschrieben und verlesen wurden, sich nicht wesentlich von denen unterschieden, die wir heute haben. Angesichts der uns heute zugänglichen wissenschaftlichen Beweise lässt sich die These, es sei in späteren Jahrhunderten etwas entfernt oder hinzugefügt worden, nicht aufrecht erhalten.

Jeder Leser des Neuen Testaments, der zumindest ein wenig auch das Alte Testament kennt, bemerkt sofort, dass die Aussagen Jesu immer wieder den Anspruch auf eine Gottgleichheit enthalten. In der Tabelle wurden nur ein Dutzend der offensichtlichsten Äußerungen zusammengefasst, in denen Jesus sich Gott gleichstellt.

Selbst ein so „klassischer“ Text wie die Bergpredigt ist ein Beweis dafür, dass Jesus sich als Gott sah. Nach Auffassung Jakob Neusners definiert jeder Satz der Bergpredigt eher die Person Jesu, als dass er neue moralische Prinzipien einführen würde. In seinem Buch Ein Rabbi spricht mit Jesus schreibt Neusner: „Da kommt ein Lehrer der Thora, der in eigenem Namen das sagt, was die Thora im Namen Gottes sagt.“ Eigentlich bedeuten alle Aussagen Jesu im kulturellen und religiösen Kontext des Judaismus exakt das, was wir glauben: dass Er Gott ist.

Was Jesus über sich selbst sagte:

Johannes 8, 58: „Noch ehe Abraham wurde, bin ich.“

Matthäus 28, 18: „Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde.“

Johannes 14, 9: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen.“

Johannes 10, 30: „Ich und der Vater 
sind eins.“

Markus 2, 28: „Deshalb ist der Menschensohn Herr auch über den Sabbat.“

Matthäus 20, 28: „[Der Menschensohn ist gekommen] … sein Leben hinzugeben für viele.“

Johannes 14, 6: „… niemand kommt zum Vater außer durch mich.“

Markus 2, 10: „[Der Menschensohn hat die Vollmacht] … hier auf der Erde Sünden zu vergeben.“

Johannes 5, 27: „Und er [Gott] hat ihm [Jesus] Vollmacht gegeben, Gericht [über die Lebenden und die Toten] zu halten, weil er der Menschensohn ist.“

Johannes 11, 25: „Ich bin die Auferstehung und das Leben.“

Matthäus 17, 22-23: „Der Menschensohn wird den Menschen ausgeliefert werden, und sie werden ihn töten; aber am dritten Tag wird er auferstehen.“

Lukas 22, 70: „Da sagten alle: Du bist also der Sohn Gottes. Er antwortete ihnen: Ihr sagt es – ich bin es.“

Vom jüdischen Standpunkt aus gesehen war eine solche Behauptung Gotteslästerung, da es einem Menschen niemals erlaubt ist, sich Gott gleichzusetzen. Nicht selten hatten die Juden Probleme mit den Römern, wenn sie es ablehnten, den Kaiser als Gott anzuerkennen – ein Jude wäre lieber gestorben, als eine solche Gotteslästerung auszusprechen. Daher war auch die Reaktion der jüdischen Zuhörer Jesu eindeutig: „Darum waren die Juden noch mehr darauf aus, ihn zu töten, weil er nicht nur den Sabbat brach, sondern auch Gott seinen Vater nannte und sich damit Gott gleichstellte“ (Johannes 5, 18). Jemand, der sich Gott gleichstellt, muss sterben (vgl. Apg 12, 22-23).

Deswegen ist auch der Prozess Jesu der merkwürdigste Prozess aller Zeiten. Er wurde nicht dafür verurteilt, was Er getan hatte, sondern dafür, wer Er war.

„Da wandte sich der Hohepriester nochmals an ihn und fragte: Bist du der Messias, der Sohn des Hochgelobten? Jesus sagte: Ich bin es. Und ihr werdet den Menschensohn zur Rechten der Macht sitzen und mit den Wolken des Himmels kommen sehen. Da zerriss der Hohepriester sein Gewand und rief: Wozu brauchen wir noch Zeugen? Ihr habt die Gotteslästerung gehört“ (Markus 14, 61-64).

Die Entscheidung des Sanhedrins, Jesus zu kreuzigen, bedeutet einzig, dass die Juden Seine eigenen Aussagen über Seine Gottheit sehr wohl verstanden. Jesus musste davon  überzeugt gewesen sein, dass Er Gott war, wenn Er sich nur für diese Seine Überzeugung töten ließ.

Der Wandel in den Überzeugungen der Apostel

Wir kehren zur Eingangsfrage zurück: Ist es möglich, dass ein Jude plötzlich einen anderen Juden für Gott halten kann? Betrachten wir die Überzeugungen der Apostel Jesu.

In den Evangelien finden wir einige Stellen, in denen die Anhänger und die Schüler Jesu sichtlich beunruhigt und gezwungen sind, die Frage nach Seiner Identität zu stellen. Das einfachste Beispiel: Die Besänftigung des Sturms. Wir sind so sehr an diesen Bericht gewöhnt, dass wir meistens gar nicht bemerken, wie eben dieses Ereignis die Vorstellungen der Juden über den Messias zum Einsturz brachte.

Der Evangelist Matthäus schreibt: „Die Leute aber staunten und sagten: Was ist das für ein Mensch, dass ihm sogar die Winde und der See gehorchen?“ (Matthäus 8, 27). Denn schließlich kann jeder von seiner (angeblichen) Ähnlichkeit mit Gott Vater reden. Jeder kann sich an die Stelle des Herrn über den Sabbat (also an die Stelle Gottes, der den Sabbat eingesetzt hat) stellen. Aber den Sturm besänftigen kann nur Gott: „die dann in ihrer Bedrängnis schrien zum Herrn, die er ihren Ängsten entriss – er machte aus dem Sturm ein Säuseln, sodass die Wogen des Meeres schwiegen“ (Ps 107, 28-29). Dieses Mal musste Jesus gar nicht mehr über sich selbst sprechen – es genügte, dass Er den Sturm beruhigte und die Jünger fragte, wo denn ihr Glaube sei. Ihr Glaube woran? Ihr Glaube daran, wer Er ist. Die Gespräche waren beendet, es begannen die Taten. Und die Apostel mussten ihr Denken angesichts der gewichtigen Fakten ändern.

Am deutlichsten wird diese Änderung im Evangelium nach Johannes (20,28) am Beispiel des Apostels Thomas. Da lesen wir: „Thomas antwortete ihm: Mein Herr und mein Gott“. Scheinbar hat Thomas gar nichts so Besonderes gesagt, und manche versuchen, seine Aussage hier zu zerteilen: als würde sich „Herr“ auf Jesus, „Gott“ aber auf Gott Vater beziehen. Das Problem jedoch ist, dass Thomas Jude war, und ein Jude würde in einer solchen Situation sagen: „Herr, unser Gott“ (hebr. Adonaj Elohejnu). Thomas aber sagte: „Mein Herr und mein Gott“ (hebr. Adonaj we Elohaj), was eindeutig impliziert, dass diese Wendung sich  auf Jesus bezieht, den Thomas soeben berührt hatte.

Um nicht noch mehr Beispiele anzuführen, möchte ich den Leser nur daran erinnern, dass der Rabbiner Saulus von Tarsus sich an der Steinigung des Stephanus gerade deshalb beteiligte, weil er dessen Worte über Jesus, der zur Rechten des Vaters steht, als Gotteslästerung empfand. Mehr als zehn Jahre später schrieb der gleiche Rabbiner Saulus über Jesus, dieser sei Gott gleich (sei also Gott), habe sich aber entäußert und sei den Menschen gleich geworden (Philipper 2, 6-7). Böse Zungen würden behaupten, er sei verrückt geworden, aber der Rabbi Saulus hatte einfach seine Überzeugungen unter der Last der Beweise für die Gottheit Jesu ändern müssen. Ebenso, wie alle Apostel und Jünger Jesu Ihn als Gott hatten anerkennen müssen. Er hatte ihnen einfach keine andere Wahl gelassen.

Gibt es zwei Götter?

Warum haben weder die jüdischen Apostel, noch sogar der Rabbiner Saulus von Tarsus Jesus nie das Argument entgegengehalten, dass Gott einzig ist und nur einer sein kann? Alle wissen doch, dass die Thora sagt: „Höre Israel! Jahwe, unser Gott, Jahwe ist einzig“ (Deuteronomium 6, 4).

Es zeigt sich jedoch, dass das hier gebrauchte Wort echad (’einzig’) gar nicht bedeutet: ,ein einzelner, ein unteilbarer’. Das tägliche Gebet der Juden enthält bis heute den Ausdruck goj echad (‚ein Volk’), der sich auf das ganze Volk Israel bezieht. Niemandem würde es dabei einfallen, die Tatsache zu bezweifeln, dass sich das jüdische Volk aus über einem Dutzend Millionen von Menschen zusammensetzt, nur weil hier das Wort echad  gebraucht wurde. Ebenso muss auch Adonaj echad nicht zwei Personen der Heiligen Dreifaltigkeit eliminieren.

Mehr noch, einmal in der Woche singt jede jüdische Familie ein Lied zur Begrüßung des Sabbat, in dem die Wendung vorkommt: Schamor wezachor bedibur echad (‚gedenke und achte – [das sind zwei Worte] in einem Wort’). Sie knüpft an das Sabbatgebot an, das in Exodus 20, 8 mit dem Wort „gedenke“ beginnt, und in Deuteronomium 5, 12 mit dem Wort „achte“. Jeder Rabin weiß, dass dies das sog. „zwei in einem” ist. Und niemanden stört das Wort echad, weil es tatsächlich nicht ‚ein einzelner’ bedeutet. Die jüdischen Jünger Jesu mussten davon gewusst haben, und darum stand für sie der Glaube an die Gottheit Jesu nicht im Widerspruch zu der grundlegenden Wahrheit des Judaismus, die sie von Kindheit an kanten.

Außerdem enthält die hebräische Bibel (ganz zu schweigen von der griechischen Version des Alten Testaments) zahlreiche Andeutungen, die den Messias mit Gott gleichsetzen. Eine der eigenartigsten ist ein Satz aus dem Buch Sacharja 12, 10, der im von den Rabbinern anerkannten Wortlaut heißt: „Und sie werden auf den blicken, den sie durchbohrt haben. Sie werden um ihn klagen, wie man um den einzigen Sohn klagt; sie werden bitter um ihn weinen, wie man um den Erstgeborenen weint.“ Dies sind die Worte Gottes, der sich eindeutig mit dem identifiziert, „den sie durchbohrt haben“. Ein anderes Beispiel ist die bekannte Weissagung: „Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns geschenkt. Die Herrschaft liegt auf seiner Schulter; man nennt ihn: Wunderbarer Ratgeber, Starker Gott, Vater in Ewigkeit, Fürst des Friedens“ (Jesaja 9:6). Bei dieser Weissagung liegt eine große Schwierigkeit in der Bezeichnung „Starker Gott“, denn dies ist kein Name, der einem Kind normalerweise gegeben wird. Im hebräischen Wortlaut: El Gibor hat er nicht die Form eines Namens, der sich auf Gott beruft (wie z.B. Elija, Elischa, Elieser). Es ist dies ein Name, der sich unmittelbar auf Gott bezieht, ähnlich wie El Eljon, El Schaddaj und andere. Jesaja sagt deutlich voraus, dass das Kind (der Messias) den Namen Gottes erhält, dass es Gott genannt werden wird, also entsprechend der jüdischen Mentalität Gott sein wird.

Uns erscheint die Feststellung paradox, dass Jesus Gott ist, gleichzeitig aber nicht identisch mit der Person Gottes des Vaters ist. Viele Male wendet sich Jesus, der seinen Jüngern beweist, dass Er Gott ist, an Gott Vater:

„Jesus aber erhob seine Augen und sprach: Vater, ich danke dir, dass du mich erhört hast“ (Johannes 11, 41).

„Er sprach: Abba, Vater, alles ist dir möglich. Nimm diesen Kelch von mir! Aber nicht, was ich will, sondern was du willst (soll geschehen)“ (Markus 14, 36).

Auch der Evangelist Johannes deutet, wenn er von dem einen Gott spricht, auf die Verschiedenheit von Jesus und Gott Vater hin (Johannes 1, 1; 1, 18 u.a.). Die Apostel verkündeten also den Glauben an die Gottheit Jesu – des Ewigen Wortes. Auch wenn sie sich dafür nicht der heutigen philosophisch-theologischen Terminologie bedienten, war ihr Glaube an die Heilige Dreifaltigkeit der gleiche, wie ihn die Kirche gegenwärtig lehrt.

Resümee

Jesus betrachtete sich als Gott und tat alles, damit die Juden in Seiner Umgebung dies verstanden. Sie verstanden Ihn auch sehr gut: Die einen betrachteten es als Gotteslästerung und verurteilten Jesus, die anderen mussten ihre bisherigen Ansichten revidieren.

Die Apostel gaben ihrem Glauben an die Gottheit Jesu u.a. dadurch Ausdruck, dass sie nomina sacra einführten. Die von ihnen niedergeschriebenen Aussagen Jesu definieren Ihn im jüdischen Kontext eindeutig als Gott. Gegen Ende des 1. Jh. bezeichnete der Evangelist Johannes Jesus direkt als Gott, und der Glaube an die Heilige Dreifaltigkeit Anfang des 2. Jh. ist gut dokumentiert.

Ich denke, diese Fakten sollten ausreichen, damit jeder von uns glaubt, dass Jesus zugleich Gott und Mensch ist, und dass Seine Gottheit die gleiche ist wie die Gottheit Gottes des Vaters, obwohl Er eine eigene Person ist. Auch wenn wir dies nicht verstehen können, gebietet uns die einfache Logik, anzuerkennen, dass Jesus nicht nur sich selbst als Gott betrachtete, sondern auch alle Seine Jünger davon überzeugte, dass Er es wirklich ist.

„Das ist der Antichrist: wer den Vater und den Sohn leugnet. Wer leugnet, dass Jesus der Sohn ist, hat auch den Vater nicht; wer bekennt, dass er der Sohn ist, hat auch den Vater“ (1.Johannes 2, 22-23).

M. Rucki

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Veröffentlicht mit Zustimmung des "Liebt einander!" im März 2016.



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