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Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.                Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht mißbrauchen.                Du sollst den Feiertag heiligen.                Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren.                Du sollst nicht töten.                Du sollst nicht ehebrechen.                Du sollst nicht stehlen.                Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.                Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus.                Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib, Knecht, Magd, Vieh noch alles, was dein Nächster hat.               
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Dem Evangelium treu
   

Autor: Małgorzata Radomska,
Liebt einander! 1/2014 → Die Verfolgung der Christen



Jeder von ihnen hörte Seinen Ruf – dieses „Ich liebe“, das nach einer Antwort fragt. Einer nicht ganz einfachen Antwort, denn sie gebietet, die eigenen Vorstellungen und Pläne, und auch die heimatlichen Gefilde zu verlassen, der Stimme zu vertrauen und Ihr zu erlauben, einen ins Ungewisse zu führen, um ab diesem Moment zu Ihren Händen, zu Ihrem Abbild für diejenigen zu werden, denen man begegnet. Um angesichts jeglicher Umstände unaufhörlich „JA“ zu sagen …

Die Wahl Gottes führte sie nach Algerien. Hier, im Kloster Tibhirine, das im Felsmassiv des Atlasgebirges liegt, gehen sie gemäß der Trappistenregel, von Christus geführt, gemeinsam dem ewigen Leben entgegen. Sie leben einfach, im Rhythmus von Gebet und Arbeit. Stark verwachsen im algerischen Alltag, der von langjährigen politischen Konflikten geprägt ist. Die ersten Mönche treffen hier gegen Ende der 30-er Jahre des 20. Jahrhunderts ein. Mit der Zeit wird das Kloster zu einem Teil dieser Gesellschaft, zu einem Zeichen des Dialogs, der Liebe gemäß dem Evangelium auf dem Boden des Islam.

„Christliches Leben bedeutet, in eigener Weise jedem das Antlitz Jesu im alltäglichen Leben zu zeigen“, sagte Bruder Luc, Arzt im Kloster in Tibhirine. Für Bruder Christoph, der sich um den Garten kümmerte, war „die Berufung vor allem das Hören auf den Sohn, die Aufnahme des Evangeliums in das eigene Innere…“ Diese beiden Gebiete durchdringen und bedingen sich gegenseitig. Um Antlitz sein zu können, muss man auch Wort sein, und das Leben im Wort Gottes macht uns zu Seiner Liebe.

„Gib dem, der dich bittet“ (Matthäus 5,42)

„Denn ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig, und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen; ich war nackt, und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank, und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis, und ihr seid zu mir gekommen. (…) Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,35-36.40). In diesen Sätzen identifiziert sich Jesus sehr deutlich mit jedem Bedürftigen. Er möchte, dass man Ihn in den Verlassenen, Kranken, Obdachlosen, Behinderten, Alten und Kindern erkennt – in allen… Sein Herz für den, der kommt, zu verschließen, bedeutet, den Verlust einer Begegnung mit Jesus zu riskieren.

„Jesus, und in Ihm Gott, begegnet uns die ganze Zeit versteckt in unserem täglichen Leben und setzt uns die ganze Zeit über diesem so wichtigen Ausdruck seiner Gegenwart aus: Seiner Gegenwart im Menschen“ – schrieb Bruder Luc in seinen Notizen. Diese wundersame Begegnung lernte er jahrelang in der von ihm geführten winzig kleinen Krankenstation unter dem Patronat der Gottesmutter der Armen. Es gab Zeiten, in denen er dort sogar 150 Personen täglich empfing – Männer und Frauen mit Kindern, die aus den umliegenden muslimischen Dörfern kamen und jeglicher medizinischer Hilfe entbehrten. Es kamen alle, und alle wurden aufgenommen.  Selbst dann, wenn Bruder Luc kaum über die Runden kam, weil es an Arzneimitteln fehlte, die von Familie und Freunden aus Frankreich geschickt wurden, und die er immer so präzise und sparsam aufteilte, damit es für jeden Patienten reichte.

Zur Krankenstation kamen nicht nur Kranke, sondern auch diejenigen, die mit einer schwierigen Lebenssituation zu kämpfen hatten, mit Arbeitslosigkeit und Armut. Die Brüder schickten niemanden weg. Sie teilten ihre Kleidung und Lebensmittel mit allen Bedürftigen. Das Kloster blieb nicht verschlossen vor denen, die Rat, Gebet, ein offenes Ohr oder verschiedenste Arten der Unterstützung suchten. Jeder konnte nach Tibhirine kommen und dort ausruhen. Immer wieder kam es zu Situationen wie der folgenden:

Eines Tages brachte Mohammed, ein befreundeter Dorfbewohner, der bei den Mönchen für die Mithilfe im Garten zuständig war, auf seinem Weg vom Markt seine Einnahmen zu Bruder Amédée, dem Pförtner und Buchhalter der Gemeinschaft. Zur gleichen Zeit kam gerade auch eine Frau, die ernsthafte Schwierigkeiten hatte und um Hilfe bat. Das Geld ging aus den Händen Mohammeds in Amédées Hände über, und aus den Händen des Bruders gleich in die Hände der bekümmerten Frau. Die Brüder gaben alles weiter, was sie geben konnten…

Ein andermal wollte Bruder Christian nach dem Singen der Komplet, obwohl es schon sehr spät war, noch eine Weile in stiller Anbetung verbringen. Nach einer gewissen Zeit hörte er jemandes stilles Gebet. Er erinnert sich: „Die arabische und die französische Sprache vermischen sich miteinander, verbinden sich auf geheimnisvolle Weise, antworten einander, verflechten sich und verschmelzen miteinander, vervollkommnen sich. Der Moslem ruft nach Christus. Der Christ unterwirft sich dem Plan Gottes gegenüber allen Gläubigen…“

„Wir sind dazu aufgerufen, Gott unsere Güte, unsere Freundschaft, und alle Dinge, die das menschliche Herz erreichen, zur Verfügung zu stellen“, schrieb Bruder Luc einmal.

„Wer aber sein Leben verliert (…), wird es finden“ (Matthäus 16,25)

„Das Ziel der Existenz dieser Krankenstation ist nicht so sehr die Wohltätigkeit gegenüber dem Leib und das Erzielen medizinisch bestmöglicher Resultate, als vielmehr, den Armen und Unglücklichen im Geiste echter Freundschaft Liebe zu zeigen“ – erklärte Bruder Luc. Die vollkommene Selbstlosigkeit, mit der diese Liebe ausgedrückt wurde, riss Barrieren ein und brachte ein aufrichtiges Miteinander der örtlichen Bevölkerung hervor.

Die Hingabe seiner selbst für andere – insbesondere seiner Zeit, seiner Fähigkeiten, seines Interesses, seiner Freundlichkeit und Fürsorge – in konkreten, einfachen Lebenssituationen bedeutete Bruder Luc zufolge, sich selbst Christus hinzugeben, die Worte des Evangeliums über den Verlust des eigenen Lebens um Seinetwillen zu realisieren. Dieses „sich verlieren“ hat Jesus unauflöslich mit dem Versprechen verbunden, das Leben zu finden: „Wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, wird es finden“ (Mt 16,25).

„Wenn du glücklich sein willst“ – so schrieb Bruder Luc in seinem geistlichen Testament – „dann mache jemand anderen glücklich. Wenn wir das Leben anderer auf uns nehmen, finden wir die ureigene Wahrheit über uns: Wir haben uns das Leben nicht selbst gegeben. Wenn wir es für uns behalten wollen, stellen wir uns in einen Widerspruch zum Ziel unserer Erschaffung. Es geht nicht darum zu glauben, dass dieser jemand uns das Gleiche zurückgeben wird, dass wir eine Entschädigung erhalten – dies würde bedeuten, sein Leben für sich behalten zu wollen. Wenn der andere nicht antwortet, hat das keine Bedeutung, denn wir finden das Leben im Akt des Gebens selbst.“

Natürlich ist eine solche wahre Liebe mit der Notwendigkeit verbunden, Leiden anzunehmen, aber, wie Bruder Luc schrieb: „Nur ein Mensch, der bis auf den Grund des Meeres hinabtaucht, kommt mit Händen voller Perlen wieder zurück. Wer sich damit begnügt, vom Rand aus zuzuschauen, erhält als Belohnung höchstens leere Austernschalen.“

„Deshalb nehmt einander auf, wie auch der Christus euch aufgenommen hat“ (Römer 15,7)

Die Regel des hl. Benedikt, nach der die Brüder leben, besagt: „…allen Menschen Achtung entgegenbringen… den Nackten bekleiden… Leiden lindern“. Die Krankenstation wurde zu einem Zeichen der Barmherzigkeit. Bruder Luc trägt nach Meinung der anderen „das Leiden der Welt auf seinen Schultern, das durch ihn bis zum Herzen Gottes gelangt.“ „Seine Anwesenheit gab Jesus die Gelegenheit, diese einfachen und vertrauensvollen Menschen anzunehmen und sich um sie zu kümmern, wie einst in Palästina, während sie es den Menschen mit aufrichtigem Glauben erlaubte, Jesus zu begegnen und sich Ihm anzuvertrauen, ohne Ihn persönlich zu kennen“, berichtete Bruder Jean-Pierre.

Luc hört, auch wenn er sich gelegentlich beklagt, trotz seines Asthmaleidens und seiner achtzig Jahre nicht auf zu wirken: „Es wird nötig sein, entschieden und wahrscheinlich noch für lange Zeit nicht vor der heroischen Anstrengung zurückzuweichen, Barmherzigkeit für zwei zu üben, denn uns Christen wurde sie anvertraut…“

„[Sie] werden ihre Hände (…) an euch legen und euch verfolgen“ (Lukas 21,12)

Der Beginn des Jahres 1992 bringt den Ausnahmezustand mit sich: den Bürgerkrieg in Algerien. Ein Jahr später gibt die Groupe Islamique Armé (GIA) den Ausländern in einem Ultimatum einen Monat Zeit, um das Land zu verlassen. Für die Brüder zeichnet sich die Ausreise ab. Die Bedrohung ist sehr real. Immer wieder gibt es Meldungen über stattgefundene Morde. Autobomben, Gefechte, Bomben in Bussen… 200.000 Opfer während dieser schwarzen Jahre…

Zu Weihnachten 1993 marschieren Mitglieder der GIA im Kloster ein. Es ist nicht leicht, mit ihnen zu reden… Sie stellen ein Ultimatum: Sie fordern Geld, Medizin und ärztliche Betreuung von Bruder Luc.  Können die Brüder neutral bleiben? Arzneimittel haben sie nicht. Der Forderung nach Geld nachzukommen hieße, mit sich selbst im Widerspruch zu stehen… „Ich kann mir nicht vorstellen, einen Zug wie diesen zu machen, das ist gegen mein Wesen, ich verliere mein Wertesystem, ich werde zu jemand anderem. Welchen Wert hätte also mein Zeugnis?“, argumentiert Bruder Paul. Die Forderungen abzulehnen bedeutet, sein Leben zu riskieren oder das Risiko einer notwendigen Ausreise in Kauf zu nehmen, vielleicht für immer. Aber wohin gehen, um das Werk von Tibhirine fortzusetzen? Die umliegende Bevölkerung verlassen, für die sie die einzige Unterstützung darstellen? Auf  elche Weise ein Zeichen der Treue bleiben…? Sehr häufig kommen sie zusammen; jeder der Brüder bringt seinen Standpunkt vor. Sie hören intensiv auf die Stimme des Heiligen Geistes, der in der Gemeinschaft spricht. Zur Stimme Jesu werden für sie auch die Worte derer, die nahe beim Kloster wohnen. „Ihr habt noch eine kleine Pforte, durch die ihr fliehen könnt. Für uns gibt es keinen Weg, keine Pforte“, vertraut der im Garten arbeitende Mohammed Bruder Christophe an. Jemand anderes sagt zu Christian: „Wenn ihr wegfahrt, nehmt ihr uns eure Hoffnung weg und beraubt uns unserer eigenen Hoffnung.“ Und ein junges Mädchen stellt die Frage: „Ihr seid die Zweige, wir die Vögel. Wenn ihr fortgeht, wo sollen wir dann ausruhen?“

„Diese Frage kommt von Dir und macht mich frei in der Gabe des Vaters, indem es mich hier mit Dir festhält. (…) Von hier fortzugehen hieße für mich, Deine Nachfolge aufzugeben, nicht mehr auf Deinen Spuren auf diesem algerischen Boden zu gehen“, entdeckt Bruder Christophe. Und Luc erklärt: „Meine Anwesenheit hier ist nicht nötig, aber sie kann nützlich sein.  Auch unter diesen Umständen bin ich anderen mich selbst schuldig – ich kann Tibhirine nicht verlassen. Dein Reich komme…“

„Liebt eure Feinde“ (Lk 6,27)

Es kommen Meldungen über weitere Morde… Kroatische Nachbarn, die auf dem Bau arbeiten, Ben Youcef Zoubir – ihr sehr junger Nachbar – von einem Militärlaster überfahren… Widerstand mischt sich mit Hilflosigkeit, mit dem Wunsch nach einer Intervention, um dieses tägliche Massaker aufzuhalten. Sie entdecken, dass sie dies durch ein stärkeres Engagement und durch innigeres Gebet tun können.

„Jesus, heile mich von dieser Gewalt, die sich in mir krümmt wie ein Tier. Vermenschliche mich gemäß Deiner Seligpreisungen“, notiert Christophe ein persönliches Gebet. Bruder Luc betet während eines Gebets mit den Gläubigen um die Gnade, ohne Hass sterben zu können. Den Herzen der Brüder entreißt sich die Bitte: „Jesus, entwaffne sie… entwaffne uns…“

Sie erlauben dem Wort Gottes, sie zu führen. „Heute sprichst du mich aus dem Evangelium an: »Liebt eure Feinde. Betet für die, die euch verfolgen. Damit ihr Söhne eures Vaters im Himmel seid«“, schreibt Christian. „Ich höre Silas [einen Freund des hl. Paulus]: »Der Herr lehrte mich, meine Feinde zu lieben. Ohne Gottes Gnade können wir unsere Feinde nicht lieben, doch der Heilige Geist lehrt zu lieben… Wenn du für deine Feinde betest, wird der Friede auf dich herabkommen«“.

Erneut stellt sich die Frage Jesu: „Wenn ihr nur die liebt, die euch lieben, welchen Dank erwartet ihr dafür? Auch die Sünder lieben die, von denen sie geliebt werden. Und wenn ihr nur denen Gutes tut, die euch Gutes tun, welchen Dank erwartet ihr dafür? Das tun auch die Sünder. Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen. Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch misshandeln. Richtet nicht, dann werdet auch ihr nicht gerichtet werden. Verurteilt nicht, dann werdet auch ihr nicht verurteilt werden. Erlaßt einander die Schuld, dann wird auch euch die Schuld erlassen werden“ (Lk 6, 32-33;27;37). „Gott in der Wahrheit lieben bedeutet, sich auf eine Liebe ohne Vorbehalte einzulassen“, entdeckt Bruder Luc. Christophe präzisiert: „Es geht um die Liebe: ohne Ausnahmen, ohne Einschränkungen. Um maßlose Liebe. Das Gebet für jene, die einen Menschen töten – auch wenn sie uns noch nicht direkt bedroht haben, trotz der Waffen, die sie zweifellos gegen uns eingesetzt hätten – hält unsere Verbindung zu ihnen aufrecht. Es bereitet uns auch innerlich vor und bestimmt uns zu Söhnen des Vaters angesichts von Brüdern, die ebenfalls Seine geliebten Söhne sind. (…) Immer wieder neu müssen wir durch den Anfang hindurchgehen, der darin enthalten ist, was wir für einander sind. Der Weg, von dem ich spreche, ist nicht irgendeine Erfindung. Derjenige, der ihn geht, wird um sich herum alle tödlichen Kräfte und die gesamte Traurigkeit der Welt berühren. Dies ist kein utopisches Hirngespinst. Man muss diesen Weg ganz gehen. Dies bedeutet: trotz Wunden, trotz Zerrissenheit nicht von ihm abkommen und sich bis zum Ende nicht vom Geist der Zerstörung anstecken und gefangen nehmen lassen: weder im Sprechen, noch in der Fürsorge, noch im Geben von Liebe – nichts vernachlässigen, niemanden auslassen…“

„Tut denen Gutes, die euch hassen“ (Lk 6,27)

Nicht dem Geist des Hasses und der Zerstörung erliegen… Dieses Bestreben konkretisiert sich in der asketischen Redeweise von Christian und den Brüdern: Während andere die Angreifer als „Terroristen“ bezeichnen, nennen sie sie „Brüder aus den Bergen“. Die stationierten Soldaten sind für sie die „Brüder aus dem Flachland“. Trotz allem und bis zum Ende versuchen sie, in jedem die Würde der Person zu sehen, des Gotteskindes, das nach Seinem Bild geschaffen wurde. Sogar in jener Nacht des Heiligen Abends, als Christian der Gewalt von Angesicht zu Angesicht begegnete. „Ich war Hüter nicht nur meiner Brüder, sondern auch jenes Bruders, der mir gegenüber stand und der die Gelegenheit haben musste, in sich etwas anderes zu entdecken als nur das, wozu er geworden war. Und ein wenig ist genau dies zum Vorschein gekommen, in dem Maße, in dem er von seinen Forderungen absah und Anstrengungen unternahm, zu verstehen“, erinnert er sich.

Dem „Geist der Zerstörung“ nicht zu unterliegen bedeutet auch, seine Liebe nicht zurückzuziehen, den Brüdern aus den Bergen nicht die nächtlichen Besuche abzusprechen, während derer ihre Verwundeten medizinische Hilfe von Bruder Luc erfahren können. Christophe notiert: „Bruder Luc empfängt sie wie Dich selbst. Alle sind Zeugen dafür…“

Die einzige Haltung, die vor dem Bösen und seiner Tötungsabsicht schützt, ist GABE. Das Hineingehen in die Logik Christi: „Soweit es euch möglich ist, haltet mit allen Menschen Frieden! Rächt euch nicht selber, liebe Brüder, sondern lasst Raum für den Zorn Gottes. (…) Wenn dein Feind Hunger hat, gib ihm zu essen, wenn er Durst hat, gib ihm zu trinken; (…) Lass dich nicht vom Bösen besiegen, sondern besiege das Böse durch das Gute!“ (Röm 12,18-21).

Christophe drückt dies in seiner Poesie so aus: „Und David zog seine Rüstung aus, das Schwert und den Panzer. Wir sollten leicht ausgestattet sein. Er nahm seinen Stock in die Hand. Wir sollten nur das Kreuz halten. Den Stock Deines Sieges, denn Du gibst den Sieg weder durch das Schwert noch durch die Lanze.  Du bist ein Meister des Kampfes. Wenn Mächtige, wenn Gewaltige, wenn Lügner etwas anderes herausschreien und uns auch dazu nötigen wollen, indem sie uns eine Bedingung nach der anderen aufzwingen. Nein, Du bist der Meister des Kampfes, Du gibst die Regeln der gekreuzigten Liebe vor.  Unsere Feinde legst Du in unsere zum Gebet erhobenen Hände. Durch die Kraft Deines Atemhauchs vertraust Du uns die Vergebung an, um sie in die Geschichte Algeriens als unseren Christusbeitrag in die Erneuerung dieses Landes einzuführen…“

„Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn“ (Röm 14,8)

Die Brüder leben weiterhin wie bisher, sie ändern nichts, trotz der Schatten der um sie herum herrschenden Gewalt… Luc führt die Krankenstation, Christophe arbeitet im Garten, Jean-Pierre auf dem Markt, Amédée empfängt die Gäste an der Pforte. Die anderen Brüder sind mit ihren Aufgaben beschäftigt. Aber gleichzeitig entdecken sie eine neue, tiefere Dimension ihrer Berufung: Mönche zu sein, die Gegenwart des Evangeliums zwischen zwei feindlichen Kräften… Langsam, Schritt für Schritt, reifen alle gemeinsam zu einer Entscheidung heran: bleiben – für die Kirche in Algerien, für die umliegende Bevölkerung, für Christus, der sie eben hierhin berufen hat.

Bruder Christian schreibt in seinen Briefen an seine Vorgesetzten: „Auszureisen, ohne dazu gezwungen zu sein, würde bedeuten, sie [die dortige Bevölkerung] Qualen und Racheaktionen auszusetzen. (…) Wir engagieren uns in der Hilfe für bedrohte Menschen, was bedeutet, dass wenn wir ausreisen, in unseren Gemäuern die Armee Einzug halten wird, und unsere Nachbarn wissen, was das für sie heißt. Wir können sie nicht mit reinem Herzen in so einer Lage lassen. Dieser sehr konkrete Faktor gibt uns ein Gefühl der Ruhe. (…) Außerdem sagt die Liebe nicht SATIS! (genug!) zum anderen, der doch ein Recht darauf hat, unendlich geliebt zu werden… wenn er damit einverstanden ist. Und eben dies ist der Fall…“

„So müssen auch wir für die Brüder das Leben hingeben“ (1.Johannes 3,16)

Fastenzeit 1996. Die Agonie Algeriens dauert an. Die höchste Stufe der Liebe: „Weil ich mein Leben hingebe… Niemand entreißt es mir, sondern ich gebe es aus freiem Willen hin“ (Johannes 10,17-18).

Die Nacht vom 26. auf den 27. März. Die Angreifer umzingeln das Kloster. Sie entführen sieben Brüder als Geiseln. Einen Monat später senden sie ein Ultimatum an die algerische Regierung. Sie wollen einen Austausch von Geiseln erreichen. Ohne Erfolg… Sie tun, was sie angekündigt haben. Am 30. Mai werden am Rand der Straße von Algier nach Medea die Leichen der getöteten Brüder gefunden.

Im Kloster bleiben ihre letzten Notizen. „Ehe mich der Herr zu sich ruft, möchte ich, dass der Friede neu in diesem Land, das ich geliebt habe, einkehrt. (…) Ich glaube nicht, dass Gewalt mit Gewalt ausgemerzt werden kann. Wir können als Menschen nur dann existieren, wenn wir uns darauf einlassen, uns zu einem Bild der Liebe machen zu lassen – so einer, wie sie sich in Christus darstellt, der als Gerechter das Schicksal eines Ungerechten ertragen wollte…“, schreibt Luc in seinen letzten Stunden.

Christophe hinterlässt ein Tagebuch, und darin die Notiz: „Die Geschichte erwartet von uns Deinen Friedenskuss. (…) Mache mich bis zu meinen Grenzen zu einem Diener Deines „Ich liebe“. In Grunde interessiert mich nichts anderes. Ich bin hier, um für Dich zu Dir zu werden. Ich werde mich nicht drücken. Ich bitte Dich heute um die Gnade, Diener sein und mein Leben hingeben zu dürfen, hier, als Lösegeld für den FRIEDEN, als Lösegeld für das LEBEN…“

Auch Christian hinterlässt ein Testament: „Sollte ich eines Tages (…) ein Opfer des Terrors werden, möchte ich, dass meine Gemeinschaft, meine Kirche, meine Familie daran denken, dass ich mein Leben für alle und für dieses Land hingegeben habe. (…) Ich möchte, wenn dieser Augenblick kommt, den lichten Moment haben, um Gott und meine Brüder im Menschsein um Vergebung zu bitten, und gleichzeitig auch von ganzem Herzen demjenigen zu verzeihen, der mich verletzen wird. Ich könnte mir so einen Tod niemals wünschen; es erscheint mir wichtig, dies öffentlich zu bekennen. Denn wirklich: Ich kann mir nicht vorstellen, wie ich mich freuen könnte, wenn dieses ganze Volk, das ich liebe, beschuldigt werden wird, mich ermordet zu haben. Dies wäre ein zu hoher Preis, den man einen Algerier, wer auch immer er sei, für das zahlen ließe, was man vielleicht die »Gnade des Märtyrertods« nennen wird. (…) Mein Tod wird natürlich scheinbar denen recht geben, die mich sehr schnell für naiv und für einen Idealisten hielten: »Soll er jetzt sagen, was er davon hält!«. Diese sollten jedoch wissen, dass dann endlich meine quälende Neugier befriedigt sein wird. Denn ich werde, wenn Gott will, meinen Blick in den Blick des Vaters versenken, um zusammen mit ihm die Kinder des Islam auf die Weise zu betrachten, wie Er sie sieht, erleuchtet von der Herrlichkeit Christi, als Früchte Seines Leidens, beschenkt mit der Gabe des Heiligen Geistes, dessen geheime Freude es immer sein wird, Kommunion zu schaffen, Ähnlichkeit wieder herzustellen, indem er mit den Unterschieden spielt. (…) Auch dich, Freund der letzten Minute, der du nicht wissen wirst, was du tust. Ja, auch dich schließe ich in dieses mein »danke« mit ein, in dieses »a-Dieu« – »bei Gott!«, Den ich in deinem Gesicht sehe. Und möge es uns, den glücklichen Schächern, gegeben sein, einander im Himmel zu begegnen, wenn es Gott, der unser beider Vater ist, so gefällt. Amen!“.

„Friede sei mit euch!“ (Lk 24,36)

Das Evangelium hört nicht mit dem Tod Jesu auf. Er ersteht von den Toten auf – wie Er gesagt hat. Wie der hl. Paulus schreibt, können wir sicher sein, dass „wenn wir nämlich ihm gleich geworden sind in seinem Tod, dann werden wir mit ihm auch in seiner Auferstehung vereinigt sein“ (Röm 6,5).

Der auferstandene Christus kommt zu uns wie einst zu den Aposteln und sagt: „Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Johannes 20,21). „Er sendet euch in die Welt als diejenigen, die Frieden stiften sollen. Eure Aufgabe ist es, Seinen Frieden und Seine Macht überall dort zu verkünden, wo ihr hinkommt“, sagt der selige Johannes Paul II.,  und er legt uns nahe: „Die Kirche sagt euch heute: Wenn ihr den Frieden wünscht, dann öffnet eure Herzen für Christus, wenn ihr den Frieden wünscht, dann nehmt Christus an, nehmt Ihn als Sohn Gottes an, nehmt Ihn auch im Geheimnis Seiner Menschheit an, nehmt Ihn auch in den anderen Menschen an. Seht Christus in jedem, der mit euch die Würde der menschlichen Natur teilt. Geht Ihm entgegen und entdeckt Ihn in jedem Armen und Einsamen, im Kranken, im Geplagten, im Gebrechlichen, im Älteren und im Ungewollten – in allen, die auf euer Lächeln warten, die eure Hilfe brauchen, die sich nach eurem Verständnis, Eurem Mitgefühl und eurer Liebe sehnen. Und wenn ihr Jesus in allen Menschen erkennt und annehmt, dann –und nur dann- werdet ihr wirklich Anteil am Frieden Seines Allerheiligsten Herzens haben. Wenn ihr euch nach Frieden sehnt, dann setzt euch für Gerechtigkeit ein, wenn ihr euch nach Frieden sehnt, dann tretet für den Schutz des Lebens ein, wenn ihr euch nach Frieden sehnt, dann verkündet die Wahrheit, wenn ihr euch nach Frieden sehnt, dann „[tut] alles, was ihr (…) von anderen erwartet, (…) auch ihnen“ (Mt 7,12)…“





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Veröffentlicht mit Zustimmung des "Liebt einander!" im Februar 2018.



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